Nachruf

Wir haben einen Freund verloren. 

Der Shoah-Überlebende Franz Michalski ist am 25. Dezember im Kreise seiner Familie verstorben.

In vielen Zeitungsberichten über Franz stand, er habe seit seinem Schlaganfall nicht mehr sprechen können.
Das stimmte und doch war Franz pure Kommunikation.

Es waren sein verschmitztes Lächeln, seine ausdrucksstarken Gesten, sein stets interessierter Blick, seine freundlich gerunzelten Augenbrauen und vor allem seine friedliche, menschenliebende Ausstrahlung, die sich in das Herz von tausenden an Menschen schlich, denen er die Geschichte seiner stillen Held*innen erzählte.

Franz, stets begleitet von seiner Frau Petra, berührte. Er berührte mit seiner Kindheitsgeschichte, die mahnend zum Engagement für Demokratie und gegen Menschenfeindlichkeit in der heutigen Zeit anregte. Er berührte mit seiner Lebensgeschichte, seinem unbändigen Interesse an Menschen und ihren Geschichten und seinem ungezähmten Engagement, das ihn auch mit 89 Jahren noch regelmäßig nach Kassel brachte, wenn wir fragten, ob wir eine Veranstaltung machen könnten. Die eingeplante Freizeit hingegen wollte er lieber mit noch mehr Veranstaltungen füllen: So viele Menschen wie möglich zu erreichen, das war sein Herzenswunsch. Vom AdiNet und seinen Erlebnissen in Kassel, erzählte er auch in Berlin. „Alle so besonders nett hier“, sagte er Ende November dem Redakteur der Lokalzeitung, nachdem er eine Woche lang 1300 Menschen in Nordhessen seine Geschichte erzählt hatte. Gut gefallen hat Franz, der nie etwas zu Essen wegwarf, sondern auch aus kleinsten Resten noch etwas Kulinarisches zu zaubern wusste, auch die nordhessische Ahle Wurscht, die fortan als „Franzwurst“ getauft bei jedem Berlin-Besuch aus Kassel mit anreiste - Petra hingegen favorisiert eher den Honiglikör.

Seine Geschichte zu erzählen, damit andere daraus lernen, daraus mitnehmen, gegen Diskriminierung aufzustehen und Menschen zu unterstützen, die diese erleben, war sein Lebenselixier in den letzten Jahren. Durch die Hilfe von anderen Menschen hatte seine Familie die Nazis überlebt, hatte Franz überlebt - hierüber erzählte er, damit die Menschen sehen, wie vergleichsweise einfach es heute wäre, einander zu helfen und zu unterstützen, wenn es selbst damals möglich war.

Als junger Mann wollte Franzl, wie er liebevoll genannt wird, Schauspieler werden, doch entschied sich dagegen, da er nach all den schrecklichen Erlebnissen das Gefühl hatte, sein Innerstes nicht mehr nach außen kehren zu können. Im hohen Alter hat er sich seiner Lebensgeschichte gestellt, sie aufgeschrieben und war bereit, sie mit der Welt zu teilen.
Und wie er sie geteilt hat. Franz war überall, Petra stets mit dabei. In Passau, am Bodensee, Bad Gandersheim, in Mannheim, in Düsseldorf und Essen, am Kindertransportdenkmal, im Gespräch mit internationalen Zeitungen. Überall haben die beiden unermüdlich Franz Kindheitsgeschichte erzählt; die im Verlauf seines Lebens in die gemeinsame Geschichte der beiden mündete. Franz und Petra. Zwei Herzen, immer offen für neue, nette Menschen. Vier Ohren, immer interessiert an den Sorgen der Anderen. Zwei Münder, beide oft einladend lächelnd. Zwei so unterschiedliche Lachen, die eine dynamisch kichernd, der andere kehlig lachend. Hehehe.


Ein Stock und vier Füße, stets unterwegs zur nächsten Veranstaltung, alles perfekt organisiert von Franzl, der, fürsorglich wie er war, nicht nur seine eigenen Bahnfahrzeiten kannte, sondern auch die seiner Besucher*innen.
In der Presseberichterstattung im November nannte ein Journalist ihn Dirigent - das hat Franz sehr gefallen, so wurde er doch noch Bühnenkünstler - ein Akteur auf der Leinwand seines eigenen Lebens, der Menschen anhand seiner Geschichte aufzeigte, sich für einander einzusetzen und aufeinander zuzugehen.

Franzl, du fehlst uns und wir werden dich, dein Lebenswerk und deine Geschichte sowie all die Botschaften, die dir so wichtig waren, in Ehren halten und weiter erzählen - indem wir uns einsetzen für eine Welt, in der Menschenfeindlichkeit und Diskriminierung keinen Platz haben.

Und wenn wir lächeln, wird auch ein bisschen von dir aus uns lächeln, denn in unseren Herzen und in deren aller, die dich in Nordhessen kennenlernen durften, hast du einen festen Platz!
 
Deine Mimi für das AdiNet

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